Achtsamkeit und Skepsis bremsen die Sorgenspirale
Daniel Goleman zitiert Tom Borkovec, der einen unerwarteten Vorteil der Sorge entdeckte. Wenn die Menschen sich ganz ihren sorgenvollen Gedanken überlassen, bemerken sie nicht die subjektiven Phänomene der Angst, die von diesen Sorgen entfacht werden. Dazu zählen eine schneller Puls, Schweißausbrüche und das Zittern. Eine ständige Besorgtheit scheint tatsächlich die Angst etwas einzudämmen, jedenfalls soweit sie sich auf den Pulsschlag bezieht. Starke Besorgtheit kann also in gewissem Rahmen als Gegengift gegen die Angst wirken, die durch sie selbst verursacht wurde. Aber ständige Besorgtheit schränkt die Lebensqualität eines Menschen stark ein. Daniel Goleman schreibt: „Aber chronische Sorgen sind auch kontraproduktiv insofern, als sie die Form stereotyper, rigider Ideen annehmen, statt kreativer Durchbrüche, die tatsächlich auf eine Lösung des Problems hinzielen.“
Die chronische Besorgtheit löst keine Probleme
In einem solchen Fall scheint laut Daniel Goleman auf der neurologischen Ebene eine kortikale Rigidität vorzuliegen, ein Defizit in der Fähigkeit des emotionalen Gehirns, flexibel zu reagieren, wenn sich die Umstände ändern. Die chronische Besorgtheit mag also die Angst bis zu einem gewissen Grad zu lindern, löst aber keine Probleme. Chronisch Besorgte haben das Problem, dass sie nicht dem Ratschlag „Hör einfach auf, Dir Sorgen zu machen“, befolgen können. Die chronischen Sorgen kommen unaufgefordert, weil sie anscheinend vom Mandelkern ausgehen. Haben sie sich einmal eingenistet, setzen sie sich fest.
Der emeritierte amerikanische Psychologieprofessor Tom Borkovec hat in zahlreichen Experimenten herausgefunden, wie er chronisch besorgten Menschen helfen kann. Als ersten Schritt nennt er die Achtsamkeit. Die beunruhigenden Situationen müssen möglichst nahe an ihrem Anfang erkannt werden, wenn die flüchtige Vorstellung einer Katastrophe einen Zyklus aus Sorge und Angst auslöst. Tom Borkovec brachte seinen Probanden bei, auf Anhaltspunkte der Angst zu achten. Nach einiger Übung können sie die Sorge an einem immer früheren Punkt der Spirale der Angst identifizieren.
Entspannungsübungen können die Sorgen nicht allein ausschalten
Außerdem lernten die Patienten bei Tom Borkovec Entspannungsmethoden, die immer dann angewendet werden sollten, wenn die Sorge einsetzt. Doch Entspannungsübungen helfen bei chronischer Besorgtheit nicht allein. Daniel Goleman erklärt: „Besorgte müssen außerdem aktiv die beunruhigenden Gedanken bekämpfen, sonst geraten sie immer wieder in die Sorgenspirale. Der nächste Schritt ist daher, gegenüber den eigenen Annahmen eine kritische Haltung einzunehmen.“
Die Verbindung von Achtsamkeit und gesunder Skepsis wirkt laut Daniel Goleman anscheinend eindämmend auf die neurale Aktivierung, die der leisen Angst zugrunde liegt. Daniel Goleman schreibt: „Das aktive Erzeugen solcher Gedanken könnte die Schaltung aufbauen, die den limbischen Antrieb der Besorgtheit zu hemmen vermag; gleichzeitig wirkt das aktive Herbeiführen eines entspannten Zustands den Angstsignalen entgegen, die das emotionale Gehirn in den ganzen Körper schickt.“
Von Hans Klumbies